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Der Anchorman

"Salzburger Halbzeit" mit Antoine Bernede

Antoine Bernede ist das Modell eines modernen Fußballers. Ruhig, durchdacht, clever und professionell. Bei unserem Interview haben wir dem Franzosen aber noch andere Seiten entlockt. Er profitiert von guten Genen, liebt japanische Küche und will nicht nur deshalb nach Tokio!

Wenn wir durch internationale Gewässer segeln, sollten wir ausgerüstet sein. Gute Segel, ein starker Rumpf und eine gute Crew, doch mindestens genauso wichtig: ein stabiler Anker. Gegossen aus Eisen, trotzt er den widrigsten Bedingungen und hält das Schiff an Ort und Stelle. Unser Anker ist Antoine Bernede – Markenzeichen: stoische Ruhe – Spezialität: feiner Linker. Ein Spieler, der Verantwortung übernimmt und mit ihr wächst. In keinem Moment denkt man, einem 20-Jährigen gegenüberzusitzen. Wie alles begann, und woher sich diese Reife nährt, erzählt uns Antoine über den Dächern Salzburgs:

Meine Mutter ist aus dem Kamerun, deshalb haben wir dort eine Weile gelebt. Wir hatten ein großes Haus und einen Fußballplatz vor der Tür. Hier habe ich angefangen, Fußball zu spielen. Als ich dann nach Frankreich kam, startete ich beim FC Solitaires im 19. Arrondissement von Paris. Ab diesem Zeitpunkt gab es nichts anderes als Fußball! Nichts bereitete mir mehr Freude, als einem Ball nachzujagen. Ich kam von der Schule nach Hause und spielte. Es war der einzige Sport, den ich wirklich mochte.

Kein Wunder, denn zum einen ist er Teil der, mit 50.000 Personen, kleinen kamerunesisch-französischen Community, die mit Jerome OngueneSamuel Umtiti und Kylian Mbappe außerordentlich viele Top-Kicker stellt. Zum anderen ist sein Vater bis heute Fan und Förderer. Selbst bei unserem Interview war er mit dabei. Für ihn hat das Talent nicht für eine professionelle Karriere gereicht, dafür legte er seinem Sohn das Ballestern in die Wiege:

Mein Vater hat mir sehr geholfen, er hat Fußball immer geliebt, deshalb hat er mich oft zu Spielen begleitet. Er hat mich trainiert, auch wenn es mir nicht gefiel. Das hat es mir ermöglicht, schnell auf ein gutes Niveau zu kommen. Und wenn du die harten Meilen einmal gegangen bist, geht alles viel einfacher.

So wird Antoine fast schon folgerichtig zu einer zu großen Nummer für den Neuntligisten FC Solitaires. Vom Lokalklub aus dem ärmsten Arrondissement der französischen Hauptstadt wechselt er zu Paris Saint-Germain. Es ist der Kickstart seiner Karriere:

Ich habe einfach gekickt und mir keine Gedanken gemacht, währenddessen haben sich die Scouts von PSG mit meinem Trainer in Verbindung gesetzt. Ich habe an ein paar Sichtungsspielen teilgenommen, sie mochten meine Spielweise und plötzlich war ich da, ohne von dem ganzen Zirkus wirklich etwas mitbekommen zu haben. Rückblickend betrachtet denke ich, dass es der richtige Zeitpunkt war. Ich kann auch von Glück sprechen, dass mir diese Möglichkeit geboten wurde. Als Pariser war es natürlich immer mein Wunsch, bei PSG zu unterschreiben. Danach konnte ich viel von den arrivierten Profis lernen.

 

Doch so makellos die Karriere auch läuft, muss sich Antoine bald harten Herausforderungen stellen. Nachdem er seine Position im Profikader von PSG mit einem Einsatz im französischen Supercup manifestiert hat, heißen die Rivalen um einen Platz in der Startelf Marco Verratti, Adrien Rabiot und Lass Diarra. Anstatt sich mit Kurzeinsätzen zu begnügen, wagt er den Sprung an die Salzach:

Ich hatte die Option, meinen Vertrag zu verlängern. Aber mich hat das Gefühl beschlichen, in Paris eine gläserne Decke erreicht zu haben. Ich möchte nichts an meiner Zeit missen, immerhin habe ich viel gelernt. Aber mit 19 war es an der Zeit, sich fest im professionellen Fußball zu etablieren. Für junge Spieler gibt es dafür bessere Orte als Paris (drei Spiele in der Ligue 1 mit PSG). Salzburg ist ein solcher Ort. Und bis heute habe ich es an keinem Tag bereut, hierhergekommen zu sein.

Die Spielzeit bei den Roten Bullen ist für Antoine auch hinsichtlich der Equipe Tricolore immens wichtig. Bereits mit 15 trägt er das Trikot seines Heimatlandes. Im vergangenen Sommer schafft es das U21-Team (damals ohne Bernede) in das Semifinale der Europameisterschaft. Damit ist auch das Ticket für die Olympischen Sommerspiele in Tokio gelöst:

Ich weiß, dass meine Leistungen stimmen müssen, damit mich der Trainer (Anm.: Sylvain Ripoll) für die Olympischen Spiele in Tokio berücksichtigt. Es wäre ein Traum, denn es ist etwas Außergewöhnliches. Wann wohnst du schon mit Zehnkämpfern und Turmspringern in einem Dorf?

 

Bis dorthin will Antoine aber noch eine Führungsrolle in Salzburg an sich reißen. Schon jetzt genießt er das Vertrauen unseres Coaches Jesse Marsch, für den er, ähnlich einem Quarterback, aus dem Zentrum das Spiel dirigiert. Die Vorliebe für Übersicht ist ihm auch auf dem Mönchsberg anzusehen, den er zu seinem persönlichen Erholungsort auserkoren hat:

Ich fühle mich sehr gut, der Trainer ist anspruchsvoll, er verlangt uns im Training viel ab. Im Gegenzug machen wir es ihm bei der Teamselektion immens schwer. Ein System, das im Moment sehr gut funktioniert. Ich habe gerade drei, vier Spiele hintereinander gespielt, es ist gut für die Beine und für mich, weil ich Freude daran habe. 

So verhält sich dies auch im Kollektiv. Antoine ist das Vorzeigemodell unserer multikulturellen Truppe. Vater aus Frankreich, Mutter aus dem Kamerun, wohnhaft in Österreich. Eine Mischung, die nicht nur ihn, sondern alle unsere Burschen aus den verschiedensten Winkeln des Erdballs zusammenschweißt:

Wir sind eine Familie. Und das, obwohl oder gerade weil jeder aus einer anderen Ecke kommt. Es ist interessant, weil jede Kultur ihre Vision vom Fußball hat. Es schafft eine gute Mischung und eine schöne Atmosphäre. 

Doch die wäre nicht die Hälfte wert, wenn am Ende der Saison nicht gefeiert werden kann. Antoine mag zwar erst 20 sein, seine Visionen sind dennoch eindeutig:

Mein Traum im Fußball ist es, so viele Trophäen wie möglich zu gewinnen, besonders in der Champions League. Die WM? Warum nicht! Jedenfalls spiele ich, um Titel zu gewinnen, alles andere hat für mich keinen Sinn. So ist das auch bei meinen Idolen. Rafael NadalStephen Curry, Cristiano Ronaldo und Luka Modric, alles echte Gewinner.

 

Fotos © GEPA Pictures